Grundlagen des Feng Shui: Ganying, Resonanz

Veröffentlicht am Dienstag, 17. Februar 2015 von

Das Prinzip der Resonanz ist die Grundlage aller Analysemethoden und Lösungsansätze im Feng Shui, denn ohne Resonanz könnten wir die abstrakten Berechnungsergebnisse nicht interpretieren, geschweige denn eine gezielte Harmonie herbeiführen. Doch was ist im Feng Shui mit Resonanz gemeint? Ist Resonanz bloß eine leere Worthülse oder steckt mehr hinter diesem Begriff? War das Konzept der Resonanz den frühen chinesischen Philosophen und Feng Shui-Meistern überhaupt bekannt?

 

Ganying, das Konzept der Resonanz in der frühen chinesischen Philosophie

Ganying, Resonanz

Ganying kann als „Wechselwirkung“ verstanden werden, in der eine Bewegung oder ein Stimulus (Gan) eine ganz bestimmte Antwort oder einen bestimmten Widerhall (Ying) hervorruft. Dong Zhongshu, ein bekannter konfuzianischer Gelehrter umschrieb das Prinzip der Resonanz in seinem Werk Chunqiu Fanlu (ca. 150 v.Chr.) zudem als „wechselseitige Anregung von Dingen gleicher Kategorien“ (Tonglei Xiangdong). Diese Art der Resonanz lässt sich sehr leicht anhand von Saiteninstrumenten demonstrieren. Schlagen Sie einen bestimmten Ton an, so werden die Saiten mit dem gleichen Grundton sowie die Obertöne in Schwingung versetzt.

 

Qi als Medium für Resonanz

Der Begriff Ganying wurde durch das philosophische Werk Huainanzi aus dem 2. Jhdt. v. Chr. verbreitet. Das Huainanzi beschreibt Resonanz als ein Phänomen, das unabhängig von Zeit und Raum wirkt und so Einflüsse astronomischer Ereignisse wie Sonnenfinsternisse auf die menschliche Gesellschaft erklärt. Die Resonanz ist dabei auf das Medium des Qi angewiesen, das als zentrales Lebenskraftkonzept alle Dinge durchwirkt und somit verbindet. Diese Verbindung ermöglicht es erst, dass bestimmte Dinge und Konzepte miteinander verknüpft werden können. Deshalb ist es kein Zufall, dass wir manche Farben als „warme Farben“ empfinden und sie mit der Jahreszeit des Sommers verbinden. Qi ermöglicht diese Verbindung und befähigt uns, Kategorien für Konzepte oder Dinge gleicher Art herzustellen, so wie beispielsweise die chinesischen fünf Wandlungsphasen. Warme Farben, Sommer, Hitze – all diese Begriffe gehören zur Wandlungsphase des Feuers und teilen sich eine grundlegende Resonanz mit ihr.

 

Resonanz zwischen den drei Wirkungsebenen

San Cai, die drei Wirkungsebenen des Feng Shui im Kreislauf

Auch hier finden wir das Modell der drei Wirkungsebenenen, Sancai, wieder, denn Resonanz ist zwischen allen Ebenen – Himmel, Mensch und Erde möglich. Das Huainanzi appelliert dafür, das Wissen um ihre Verknüpfungen bewusst zu nutzen, um eine Harmonie auf allen Ebenen herzustellen. Ein alltägliches Beispiel hierfür ist die Wahl unserer Bekleidung je nach Jahreszeit. Wenn wir uns im Sommer luftig und leicht kleiden, passen wir uns der Jahreszeit an und können uns wohl fühlen, doch kleiden wir uns im Winter zu dünn, werden wir schnell krank. Indem wir uns dem Wechsel der Jahreszeiten anpassen, leben wir (mit der Ebene des Himmels) in Harmonie.

Im Feng Shui ist befassen wir uns dagegen mit komplexeren Interaktionen der Ebenen. Beispielsweise könnte ein günstig gelegener Flusslauf (Ebene der Erde) vor einem Haus mit den abstrakten fliegenden Sternen (Ebene des Himmels) resonieren und positive Potenziale für die Bewohner des Hauses aktivieren. Eine Resonanz von Mensch zwischen Himmel könnte entstehen, wenn die Raumnutzung (Ebene des Menschen) sich nach den Berechnungen aus der Feng Shui Beratung richtet (Ebene des Himmels), und zum Beispiel das Schlafzimmer in einen günstigen Bereich der fliegenden Sterne verlegt wird. Auf der Ebene des Menschen bewegt sich zudem das Gesellschaftsmodell des Konfuzianismus. Vereinfacht gesagt sollen in der Hierarchie oben stehende Personen durch einen moralisch tadellosen Lebensstil als leuchtendes Beispiel voran gehen, was in der Bevölkerung zu einer Art moralischen Resonanz führt und Harmonie und Ordnung bringt.

 

Resonanz im Feng Shui

Bagua, die acht Trigramme des Yijing, sind Sinnbilder für die verschiedensten Kräfte und Dinge. In der Anordnung der acht Trigramme des späten Himmels (Houtian Bagua) stehen sie zudem für die acht Himmelsrichtungen. Die verschiedenen Berechnungsmethoden des Feng Shui ermöglichen es, diese makroskopischen acht Grundqualitäten der Trigramme differenziert und unter Berücksichtigung verschiedenster Schwerpunkte, wie beispielsweise die Optimierung des Raums für eine Familie oder ein Unternehmen, mikroskopisch zu untersuchen.

Jeder Lösungsvorschlag im Rahmen einer Feng Shui Beratung zielt darauf ab, eine harmonische Resonanz zwischen Yin und Yang und den Wandlungsphasen im Raum herzustellen, bzw. zwischen dem Gebäude und seiner Umgebung zu erzeugen, sei es durch Umbaumaßnahmen, Farben, Formen oder Material. Die Resonanz raumgestalterischer Mittel mit den fünf Wandlungsphasen hat eine unmittelbare Wirkung auf das Qi-Feld und so werden günstige Qualitäten unterstützt, während ungünstige Qualitäten abgemildert werden. Das Prinzip der Resonanz kann jedoch auch negative Auswirkungen auf die Lebensqualität in einem Raum haben. Verstärkt die Raumgestaltung ungünstige Qualitäten, kann ein Potenzial für zwischenmenschliche Probleme, Unfälle und Krankheiten entstehen. Doch durch die bewusste und umsichtige Feng Shui-Analyse Ihrer Räume können wir das günstigste Potenzial ausschöpfen und eine Resonanz auf allen Ebenen erzeugen.

 

Quellen:

Bramble, Cate (2003): Architect’s Guide to Feng Shui. Oxford: Architectural Press

Major, Queen, Meyer, Harold (2010): The Huainanzi: A Guide to the Theory and Practice of Government in Early Han China, by Liu An, King of Huainan. New York: Columbia University Press

 

Dieser Artikel wurde verfasst von Felix Niakamal

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